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Ressourcenkonflikte | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Ressourcenkonflikte

Dr. Solveig Richter

/ 8 Minuten zu lesen

Der Kampf um Ressourcen ist mittlerweile die zweithäufigste Konfliktursache. Auch der Einsatz von Gewalt nahm bei diesem Konflikttyp stetig zu. Die Ursachen sind meist vielschichtig und liegen oft primär in politischen Problemen und Auseinandersetzungen.

Menschen kämpfen mit extremem Sturm und Regen im Flüchtlingslager Kibati bei Goma im Osten Kongos. (© AP)

Ressourcenknappheit wird als eines der größten strukturelle Risiken für Konflikte im 21. Jahrhundert diskutiert. Unter Ressourcen fallen z.B. Gesteine, Salze, fossile Brennstoffe, Mineralien, Metalle, Böden, Wälder, Wasser, Wind oder Sonnenenergie. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen stellte bereits 2009 fest, dass es ein "signifikantes Potenzial für die Verschärfung von Konflikten um natürliche Ressourcen in den nächsten Dekaden" gibt. Anlässlich des Internationalen Tages für die Verhütung der Ausbeutung der Umwelt in Kriegen und bewaffneten Konflikten am 6. November 2017 betonte der UN-Generalsekretär, dass die Umwelt selbst oft "Opfer" von Kriegen werde und deshalb der Schutz natürlicher Ressourcen zentral für Frieden und nachhaltige Entwicklung sei.

Ressourcenknappheit und Ressourcenreichtum – beides ist ein Konfliktrisiko

Die Konkurrenz um Ressourcen ist ein wichtiger Faktor im internationalen Konfliktgeschehen. Zugleich zeichnen die statistischen Fakten – im Widerspruch zu manchem Katastrophenszenario – ein differenzierteres Bild: Laut Heidelberger Konfliktbarometer spielte 2017 das Thema Ressourcen in 97 von insgesamt 385 Konflikten niedriger bis hoher Intensität eine Rolle. Die Bedeutung von Ressourcen als Konfliktgegenstand hat in den letzten Jahren zugenommen. Sie rangieren heute nach sogenannten Regime-Konflikten, in denen es um die Veränderung des politischen Systems geht, auf Platz zwei. Zudem werden Ressourcenkonflikte immer gewalttätiger ausgetragen. So nahm der sporadische oder massive Einsatz von Gewalt in den letzten Jahren stetig zu (2000: ca. 30%, 2010: 44%, 2017: 65% in). Ressourcen spielten 2017 in 17 von insgesamt 36 Gewaltkonflikten mit hoher Intensität eine entscheidende Rolle – darunter der Kampf um Drogen in Mexiko, um Ackerland in Nigeria oder um wertvolle Bodenschätze in der DR Kongo.

Der Großteil der vom Heidelberger Konfliktbarometer verzeichneten Ressourcenkonflikte (80%) ist innerstaatlicher Natur. Dabei kann sowohl ein Mangel als auch ein Überfluss an Ressourcen eine konfliktauslösende bzw. eskalierende Wirkung entfalten. Beispielsweise ging es bei den Hungerunruhen 2010 in Haiti vor allem um knappe Nahrungsmittel, während etwa das erneute Aufflammen von Gewalt im Südsudan 2013 eng mit dem Kampf um politische Vorherrschaft und der Kontrolle über die reichen Ölreserven verbunden ist.

Dagegen spielten nur in 17 von 65 zwischenstaatlichen Konflikten Ressourcen eine zentrale Rolle. Dabei ging es meist um die Verteilung knapper Ressourcen, wie etwa fossile Brennstoffe oder Wasser. Beispielhaft sei an dieser Stelle auf große Dammprojekte verwiesen, wie etwa Indiens Ankündigung eines neuen Staudamms am Chanab-Fluss, der auch durch Pakistan fließt, oder der in Äthiopien entstehende Renaissance-Staudamm am Blauen Nil, der auch den Sudan und Ägypten mit Wasser versorgt. Knappheit und Reichtum sind eng miteinander verknüpft, denn je stärker ein Rohstoff international nachgefragt wird, desto höhere Rendite können die Konfliktparteien auf nationaler Ebene realisieren.

Eine differenzierte Analyse zeigt, dass Ressourcen allein nur selten für die Entstehung oder Eskalation gewaltsamer Konflikte ausschlaggebend sind. So hatten von den 2017 gezählten 97 Ressourcenkonflikten lediglich sechs die Auseinandersetzung um Ressourcen als einzigen Gegenstand bzw. Ursache. Bei allen anderen Konflikten ging es primär um etwas anderes – etwa um regionale Vorherrschaft oder Territorien. Die sechs "reinen" Ressourcenkonflikte waren zudem von weitaus geringerer Intensität als andere Auseinandersetzungen (zwei Konflikte gänzlich ohne Gewalt, vier gewalttätige Krisen und keinerlei Kriege). Offensichtlich – und dies ist die wichtigste Erkenntnis aus den statistischen Daten – sind Ressourcenknappheit bzw. Ressourcenreichtum allein in den seltensten Fällen Ursache für Konflikte. Um die komplexen Konfliktdynamiken besser verstehen zu können, lohnt ein detaillierter Blick auf die wichtigsten theoretischen Erklärungsansätze.

Knappe Ressourcen und politische Rivalitäten

Die Wahrnehmung, dass dieser Konflikttyp ein wachsendes Sicherheitsrisiko darstellt, resultiert vor allem aus der weltweit zunehmenden Verknappung von Ressourcen. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig:

- der wirtschaftliche Aufschwung von Schwellen- und Entwicklungsländern, allen voran China, - das weltweite Wachstum von Schlüsselsektoren, wie Telekommunikation und Digitalisierung, die spezifische Materialien (z.B. Erze) benötigen, die nur in wenigen Ländern vorhanden sind und abgebaut werden können, - die Zunahme der Weltbevölkerung sowie - der Klimawandel.

Ob die Konkurrenz um Ressourcen sich verschärft, ist dabei gar nicht allein von der verfügbaren physischen Menge abhängig, sondern vielmehr von der relativen Knappheit, d.h. von der konkreten Verteilung der Vorkommen und Zugangsrechte sowie der Nachfrage. In einer funktionierenden Marktwirtschaft regelt sich das Verhältnis aus Angebot und Nachfrage über den Preis und somit friedlich. Schließlich haben grundsätzlich alle Seiten prinzipiell die Möglichkeit, ihren Ressourcenbedarf über Kauf und Handel zu decken. Doch gerade auf den internationalen Rohstoffmärkten funktioniert dieser Mechanismus häufig schlecht. Wirtschaftliche Kartelle und Oligopole oder protektionistische Staaten verzerren aufgrund ihrer dominierenden Marktmacht bzw. mit Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen den Markt. Hinzu kommen Spekulanten, die turbulente Preisentwicklungen anfachen, ausnutzen und damit künstlich Knappheit oder ein Überangebot hervorrufen.

Die Verteilungskonkurrenz eskaliert meist dann, wenn eine Partei die Konkurrenz um eine bestimmte Ressource mit anderen Interessen verknüpft oder als Bedrohung der eigenen Sicherheit interpretiert. Man spricht in diesem Zusammenhang von der "Versicherheitlichung" (securitization) der Ressourcenproblematik. Es geht nicht mehr nur um eine marktkonforme Verteilung von Ressourcen, sondern um politische Ziele, wie Machterhalt, regionale Vorherrschaft, Sezession oder ideologische Dominanz. Solche politischen Konflikte gehen viel häufiger als die rein wirtschaftliche Konkurrenz mit dem Einsatz von Gewalt einher und lassen sich deshalb auch schlechter bearbeiten und regulieren. Der Erdgasstreit zwischen Russland und der Ukraine eskalierte vor allem deswegen, weil beide Seiten hauptsächlich eine politische Agenda verfolgten. Moskau wollte die Ukraine zwingen, einen deutlich überhöhten Gaspreis zu bezahlen. Kiew sperrte im Gegenzug die Pipeline nach Westeuropa, um dort strategische Zweifel an der Zuverlässigkeit der russischen Erdgaslieferungen zu wecken.

Im sich seit 2015 verschärfende Territorialstreit um die Spratly-Inseln, die Paracel-Inseln und andere Atolle und Riffe im Südchinesischen Meer spielen ebenfalls nicht allein die reichen Öl- und Gasvorkommen oder Fischbestände eine Rolle, sondern auch harte Sicherheitsaspekte. Die anderen Anrainerstaaten und die USA sind angesichts der Ausweitung der chinesischen Militärpräsenz beunruhigt, die China die Kontrolle über eine der am stärksten frequentierten Seehandelsrouten der Welt ermöglicht. Für die Zukunft birgt dies zusätzliches Konfliktpotenzial im Großmachtkonflikt zwischen China und den USA.

"Unzufriedenheit" und "Habgier" als innerstaatliche Konfliktursachen

Ressourcenkonflikte können dann entstehen, wenn sich Bevölkerungsgruppen gegen Missstände bei der Verteilung oder beim Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen zur Wehr setzen. Die Konfliktforschung spricht von "Unzufriedenheit" (englisch: "grievance") als Konfliktursache. Meist geht es dabei um sehr elementare Allgemeingüter, wie Land, Wald oder Wasser. In einer globalisierten Welt können internationale Akteure solche Missstände auslösen bzw. verschärfen. Ein Beispiel ist der Erwerb großer Ländereien durch internationale Unternehmen. So pachtete der südkoreanische Konzern Daewoo 2009 einen wesentlichen Teil des Ackerlandes in Madagaskar, um Palmöl und Mais anzubauen und nach Südkorea zu verschiffen. Daraufhin kam es auch aus Angst um die eigene Versorgung zu blutigen Aufständen gegen die Regierung. Der in der Regel monokulturelle Anbau von im globalen Norden stark nachgefragten landwirtschaftlichen Produkten führt nicht nur zur massenhaften Enteignung von Kleinbauern, sondern auch zu negativen Veränderungen in der Natur, etwa durch Abholzung und Bodenerosion. Eine stärkere Beachtung ihrer Rechte fordern zunehmend auch indigene Völker ein, für die Land und Natur eine besondere kulturelle Bedeutung haben.

Eine weitere Konfliktursache hängt mit dem Reichtum an Ressourcen zusammen. Auffallend ist, dass ein solcher "Ressourcenfluch" meist in rohstoffreichen Entwicklungs- oder Schwellenländern zu beobachten ist. Die Aussicht auf Vorteil und Gewinn wecken die "Habgier" (englisch: ("greed") sowohl staatlicher als auch wirtschaftlicher und krimineller Akteure. Schwache Staatlichkeit und schlechte Regierungsführung schaffen zudem einen fruchtbaren Nährboden für Korruption und Klientelismus. Verteilungskämpfe und Konflikte werden angefacht. Die Gewinne fließen in die Taschen der politischen Eliten, internationaler Konzerne und krimineller Netzwerke. Die breite Bevölkerung geht meist leer aus. Rund 75% der armen Bevölkerung leben heute in rohstoffreichen Ländern. Nicht zuletzt werden aufgrund der sprudelnden Einnahmen andere Wirtschaftssektoren vernachlässigt und damit die Chancen für eine nachhaltige Entwicklung verspielt.

Oppositionelle und Rebellengruppen erhalten durch den Zugriff auf und den Handel mit Ressourcen die Möglichkeit, ihren Kampf zu finanzieren. Dadurch erhöht sich das Eskalationsrisiko für bereits bestehende latente Konflikte. Für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes bzw. einer Region unverzichtbare Rohstoffe werden zu einer "Konfliktressource", die die Konflikte immer wieder anfacht. Dies wird auch durch einschlägige Forschungen bestätigt: Danach löst Habgier zwar selten offene Konflikte aus, trägt aber maßgeblich dazu bei, diese zu verlängern und eine friedliche Lösung zu verhindern. So wird der Friedensschluss von September 2016 zwischen FARC-Rebellen und Regierung in Kolumbien heute u.a. dadurch gefährdet, dass paramilitärische und kriminelle Gruppen versuchen, die Gebiete und Koka-Plantagen unter ihre Kontrolle zu bringen, die die FARC-Rebellen in Übereinstimmung mit den Festlegungen des Friedensvertrags verlassen haben.

Ressourcen liefern auch Anreize für Kooperation und Wachstum

Ressourcenkonflikte können auch Anreize für Kooperation und Wachstum liefern. Gemeinsame Lösungsansätze finden sich häufig schneller, wenn der Marktmechanismus greift und die Politik moderat agiert. Dass knappe Ressourcen die regionale Kooperation befördern, belegt z.B. die Nilbecken-Initiative. Sie bringt zehn Länder Afrikas mit dem Ziel zusammen, die Wasserressourcen kooperativ zu managen und eine gerechte Nutzung zu erreichen. Eine Reihe guter Beispiele zeigt, dass Ressourcen für die Entwicklung eines Landes ein Segen sein können. So wurden etwa in Botswana die Einnahmen aus dem Verkauf von Diamanten in Infrastruktur und Entwicklungsmaßnahmen gesteckt, was das Land heute im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten in vieler Hinsicht besser dastehen lässt.

Die Politik kann solche Entwicklungen durch vielfältige Maßnahmen anstoßen und unterstützen: Der Instrumentenkasten dafür reicht vom Ressourcenmanagement, d.h. der Verbesserung der Effizienz bei Abbau und Nutzung über die Förderung internationaler Institutionen, die die Verteilung von Ressourcen regulieren, bis hin zur Entwicklungszusammenarbeit, die die wirtschaftlichen und politischen Strukturen verbessert. Die 2015 verabschiedeten Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen beinhalten mehrere Maßnahmen für einen konfliktfreien Umgang mit Ressourcen, etwa die Gewährleistung von Ernährungssicherheit (Ziel 2), die Bewahrung und nachhaltige Nutzung der Ozeane und Meeresressourcen (Ziel 14) oder der Schutz der Landökosysteme (Ziel 15).

Mit gezielten Maßnahmen soll zudem versucht werden, die Einnahmen aus den sogenannten Konfliktressourcen zu verringern. So wurde im Jahr 2000 durch die Vereinten Nationen der "Kimberley-Prozess" ins Leben gerufen, der den Handel mit Konfliktdiamanten durch staatliche Herkunftszertifikate eindämmen soll. Kritisch ist jedoch zu konstatieren, dass bislang nur zwei Friedensmissionen (Liberia und DR Kongo) explizit mandatiert wurden, sich auch mit einem besseren Ressourcenmanagement zu befassen.

Weitere Inhalte

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe EU-Außenbeziehungen der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Friedens- und Konfliktforschung sowie im Bereich Demokratieförderung durch internationale Organisationen, insbesondere in Südosteuropa.